TRIX EXPRESS in der Schweiz – Spannende Entdeckungen Teil 8: Warum war die erste TRIX Nachkriegs-Ellok nicht eine Bo’Bo’ nach Schweizer Vorbild ?

Bericht und Bilder: Peter Anderegg – 2017 (soweit nicht anders angegeben)


Handmuster

Im Jahr 2008 versteigerte das Auktionshaus Lankes folgendes Handmuster aus dem TRIX-Archiv. Dieses Handmodell im Massstab 1:83 gelangte im Sommer 2017 durch einen glücklichen Zufall in die Schweiz.


Bild 1: Handmuster Schweizerische Bundesbahnen SBB Re 4/4I mit runder Front aus dem TRIX-Archiv


1949 Erstes HO-Serienmodell einer Bo’Bo’-Ellok von MILODOR in der Schweiz

(Serie etwa 200 Stück)

Auf Weihnachten 1949 brachte ein Schweizer Hersteller unter dem Namen MILODOR die SBB Re 4/4I 401 heraus im Längenmassstab 1:83. Das Gehäuse war aus Aluminium-Kokillenguss, die Fenster waren nicht durchbrochen und nur aufgemalt. So wirkte das Modell eher schwerfällig und rudimentär. Hochwertig war hingegen die technische Ausstattung: Beide Drehgestelle waren je durch einen 3-Leiter AC Motor angetrieben, welcher wie auch der Fahrtrichtungs-Umschalter von Borel & Co stammten. Die funktionsfähigen Stromabnehmer waren eine Eigenentwicklung. Die unteren Holme beweglich, vier Richtfedern.


Bild 2: Milodor SBB Re 4/4I: Gehäuse aus Aluminium-Kokillenguss, Fenster nicht durchbrochen, nur aufgemalt


1946 Vorbild Re 4/4I (401-426)

Die Ellok SBB Re 4/4I ist eine Ableitung der BLS-Ellok Ae 4/4 von 1943, welche TRIX ab 1956 in grüner (Bild 9) und brauner (Bild 10) Farbe anbot. Die Schweizerischen Bundesbahnen bestellten eine laufachslose Schnellzugs-Ellok mit einer Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h und einer Achslast von nur 14 Tonnen/Achse. Die erste SBB Re 4/4I (401-426) erschien 1946 und zog Leicht-Schnellzüge auf der Hauptline Genf – Bern – Zürich – St.Gallen – Rorschach. Speziell war, dass die Passagiere durch die Ellok laufen konnten: Fronttüren mit Faltenbälgen verbanden Ellok und Wagen. So war bei Mehrfachtraktion oder Steuerwagen-Betrieb eine beliebige Einreihung der SBB Re 4/4I möglich.


[ Bild: David Gubler – www.bahnbilder.ch – Nutzungsgenehmigung am 05.01.2018 erteilt ]
Bild 3: SBB Re 4/4I (401-426)


1950 Vorbild SBB Re 4/4I 427-450

Ab 1950 verzichtete man bei den SBB Re 4/4I (427-450) auf die Fronttüren und die zusätzliche Trennwand zwischen Maschinenraum und Durchgang, um weiter Gewicht zu sparen. Dies ermöglichte, stärkere Motoren einzubauen.


[ Bild: David Gubler – www.bahnbilder.ch – Nutzungsgenehmigung am 05.01.2018 erteilt ]
Bild 4: SBB Re 4/4 (427-450) ohne Fronttüre (runde Front)


Handmodell aus dem TRIX-Archiv

Bild 5: SBB Re 4/4I aus TRIX-Archiv, Rückseite nur minimal ausgeführt und ohne Schrift


Das Handmodell ist nur einseitig detailliert, was bei anderen TRIX-Handmodellen auch vorkommt. Das Handmodell ist ohne Motor und antriebslos. Die Rädern sind Nachlaufräder der 20/57. Damit wirkt die Ellok etwas hochbeinig. Die Räder sind beidseitig isoliert, also Kurzschlusssicher, wenn die Ellok auf einer TRIX-Anlage steht. Die Pufferbohle schwenkt aus: Damit können alle TRIX-Radien problemlos durchfahren werden. Die Federn und Achslager sind – wie auch die erhabene Schrift – weggelassen, die Löcher der Türhandgriffe nur angedeutet. Das Gehäuse ist zweigeteilt: Das Oberteil bleibt weiterverwendbar bei einem neuen z.B. angetriebenen Unterteil.


Bild 6: SBB Re 4/4I aus TRIX-Archiv, Vorderseite detailliert: Pantos rekonstruiert (Ueli Leibacher/Autor)


Die Schrift ist unverhältnismässig gross ausgefallen: Vielleicht besteht, wie auch beim Massstab, ein Einfluss vom MILODOR-Serienmodell. Zur “Handschrift” des Modellmachers: Die Ausführungsart mit vielen kleinen Details lassen mich vermuten, dass dieselbe Person die TRIX BLS-Elloks von 1956 konstruiert hat (Bilder 9 und 10).

Lässt sich dieses Handmodell der SBB Re 4/4I irgendwie zeitlich eingliedern? Erbauer von Handmodellen griffen in der Regel auf Serienteile zurück, soweit möglich. Bei der Entwicklung der SBB Re 4/4I fehlten dem Modellmacher Serien-Teile wie durchbrochene Räder oder ein kleiner Motor. Durchbrochene Räder und ein kleiner Motor inklusive einer Platzsparenden AC-Umschaltung kamen erst mit der 20/60 E 94, entwickelt in den Jahren 1950-52. Aufgrund der angewandten Technik würde ich das Handmodell der SBB Re 4/4I etwa auf Anfang 1950 datieren. Dazu war TRIX jeweils bemüht, wenn möglich seine Modelle beim Erscheinen des Originals zu präsentieren. Beispiele dafür sind die E 10 002 von 1954 (nicht realisiert), die E 10 003 von 1955, die D-Zug Wagen von 1953. Das Vorbild der SBB Re 4/4I 427 erschien im März 1950, was obige Datierung mit Anfang 1950 stützt.


Warum hat TRIX dieses wunderbare Projekt zur Realisierung der SBB Re 4/4I fallengelassen?

Auf Weihnachten 1950 brachte Märklin als ihre erste Bo’Bo’-Ellok in HO, die RE 800. Diese SBB Re 4/4I 427 war exakt im Massstab 1:87, Verkaufspreis CHF 100.00 (1952 vereinfachtes Modell RES 800 zu CHF 59.00. MILODOR (Preis CHF 105.00) stellte die Produktion ein. Für TRIX lohnte sich die Weiterverfolgung des Projektes SBB Re 4/4I kaum, es blieb beim hier vorgestellten Handmodell.

Die erste Bo’Bo’ von TRIX wurde die DB E 10 003 aus dem Jahr 1955 Gleichstrom DC. Der Fahrtrichtungs­umschalter entfiel, die Konstruktion wurde einfacher.


Bild 7: Märklin-Modell RE 800, Re 4/4I von 1950


Dieses Schlussbild zeigt, was uns TRIXern leider entgangen ist, Märklin sei Dank …


Bild 8: Handmodell der Re 4/4I aus dem TRIX-Archiv im “richtigen Licht”


Bild 9: 1956 erschien mit der TRIX BLS Ae 4/4 in grüner Lackierung doch noch eine Bo’Bo’ nach Schweizer Vorbild


Bild 10: Da beim Vorbild zu dieser Zeit die meisten BLS Ae 4/4 ihre grüne Lackierung verloren hatten, brachte TRIX 1957 auch die braune Farbvariante heraus.




zurück zur Auswahl: Peter Andereggs Entdeckungen und Geschichten