Eine Jugenderinnerung von Manfred Voß, 2012/2013
1941: Die Weihnachtsüberraschung
(Bild 1) – Geboren wurde ich (im Bild rechts) im Januar 1936, mein Bruder (im Bild links) bereits im März 1935. Wir wohnten in Falkensee, nur wenige Kilometer westlich vom Berliner Bezirk Spandau entfernt. Im Jahre 1941 bekamen wir zu Weihnachten eine elektrische Eisenbahn des Fabrikats TRIX EXPRESS. Sie wurde von unserem Vater bei Wertheim am Potsdamer Platz in Berlin gekauft.
(Bild 2) – Die Bahn wurde zuerst im Wohnzimmer auf dem Esstisch aufgebaut. Wir Kinder dekorierten die Anlage mit den dazugehörenden Accessoires, während unser Vater der eigentliche Eisenbahner war.
(Bild 3) – Noch in der Weihnachtszeit 1941 organisierte unser Vater ein Paar Bretter und die Gleise konnten nun schon auf einer größeren Platte liegen. Hier sieht man bereits einen Doppelkreis, eine dritte große Lokomotive und weitere Wagen. Nach Weihnachten musste alles wieder eingepackt werden.
(Bild 4) – Ein Jahr später zu Weihnachten 1942 wurde daraus schon eine richtige Anlage. Nun gab es auch zwei Blechbahnsteige von Kibri. Unser Vater befestigte die Gleise mit Schienenklammern auf der Holzplatte, die in der Mitte teilbar war. Auch die meisten anderen Aufbauten wurden fest montiert. Die Platte stand das Jahr über hochkant in einer Kammer und wurde nur zu Weihnachten in einem unbenutzten Küchenraum meiner Großeltern aufgestellt. Hier ging es dann auch schon richtig zur Sache.
(Bild 5) – Viele Gebäude, z.B. eine Wassermühle, wurden aus Holz und Pappe selber gebaut. Die Laternen hatte mein Vater aus dünnem Rohr und Blech gelötet. Unter dem Gaskessel war ein Lichttransformator versteckt. Die Dächer der Wagen haben wir oft abgenommen, um sie beladen zu können. Mein Interesse bezog sich mehr auf die Technik, während mein Bruder mehr der Theoretiker war. Ich lernte in der folgenden Zeit bald, was Gleich- oder- Wechselstrom ist und half meinem Vater, die elektrischen Leitungen zu verlegen. Auch schaute ich meinem Vater über die Schulter, wenn es mal nötig war, eine Lok zu reparieren.
1947/1948: Das TRIX-Fieber brach aus
Nach dem Krieg sollte die Anlage weiter ausgebaut werden.
(Bild 6) – Der Gleisplan von 1948. Heute im Rückblick bin ich selbst überrascht, mit wieviel Detailgetreue man damals als 12-jähriger an so ein Hobby herangegangen ist.
(Bild 7) – Bislang waren meine Eltern und wir Kinder ständig zwischen Falkensee und Berlin unterwegs. Wir wohnten in Falkensee, mein Vater arbeitete bei Siemens in Berlin und auch meine Großmutter wohnte in Berlin. Nach Kriegsende im Mai 1945 lag Falkensee in der sowjetisch besetzten Zone und Spandau gehörte zum britisch besetzten Sektor von Berlin. Plötzlich mussten wir ständig die Grenze überqueren. Mit der Währungsreform im Juni 1948 gab es sogar unterschiedliches Geld.
(Bild 8) – Kurz nach Kriegsende war es üblich, ehemalige Grundstücke und Gebäude der Wehrmacht nach noch gebrauchsfähigen Sachen zu durchsuchen. Da wir Jungens aus der Straße sowieso den Flugplatz Staaken als unseren Abenteuerspielplatz vereinnahmten, und nicht nur die Schrott-Flugzeuge demontierten, ging es auch in alte Baracken. Was hat das nun mit der TRIX- Bahn zu tun? An einem Ort fanden wir im Sommer 1947 nagelneue Feldbettgestelle. Die konnte man wunderbar übereinander zusammenstecken. Nun musste unser Opa ran und die Bettgestelle nach Hause holen. Dann gab es ein Komplott mit unserem Vater. Ohne unsere Mutter einzuweihen, wurden die Betten in unserem Kinderzimmer aufgebaut. Meine Mutter war am nächsten Morgen entsetzt, was wir da wohl vorhatten. Die Bettgestelle wurden übereinander gesetzt und mein Bruder und ich schliefen nun übereinander, was in heutigen Kinderzimmern oft üblich ist. Nun war endlich das ganze Jahr Platz für die TRIX-Eisenbahn und wir mussten sie nicht mehr nach Weihnachten wieder einpacken.
(Bild 9) – Die Anlage bekam nun ab 1947 einen festen Platz im Kinderzimmer und ich konnte meinen Ideen freien Lauf lassen. An der oberen Kurve montierten wir ein kleines Gebirge mit Tunnel und die Gebäudeteile der alten Burg wurden zu Bahnhofsgebäuden umfunktioniert. Die Anlage wurde so platziert, dass man an der Wand durchlaufen konnte. Mit zunehmendem Technikverständnis wuchs der Wunsch nach einer noch größeren Anlage.
1950: Der Traum von einer Großanlage
(Bild 10) – Der Plan der Großanlage. Die roten Abschnitte sollten mit den vorhandenen Original-TRIX EXPRESS-Gleisen gebaut werden. Auf den gelben Abschnitten waren selbstgebaute Gleise geplant (von unserem Vater hergestellt, nur gerade überlange Stücke), für die grünen Abschnitte mussten die Gleise noch selbst angefertigt werden.
Der Fuhrpark bestand zu dem Zeitpunkt aus folgenden Zügen:
– Express-Zug 10/1105 mit Schnellzug-Lok 20/52;
– Güterzug 10/104 E mit der Tender-Lok 20/54 und
– die Schnellzug-Lok 2 C 1 mit den zugehörigen Schnellzugwagen.
Neben den einfachen Gleisstücken gab es vier Weichen, eine Kreuzung und zwei Fahrregler (Original-TRIX-Teile).
(Bild 11) – Der Rohbau der Großanlage, linke Hälfte.
Mit der Erlaubnis meiner Eltern plante ich das halbe Zimmer mit einer Modellbahn-Anlage voll zu bauen. So riss ich alles von der alten Platte runter und setzte noch eine daneben. Um einen Durchgang zu haben, blieb ein Zwischenraum bestehen. Dieser sollte mit Brücken verbunden werden. Das Platzproblem war also gelöst.
(Bild 12) – Der Rohbau der Großanlage, rechte Hälfte.
Geplant waren zwei Anlagen in einer Landschaft vereint. Gleise und Weichen für die TRIX-Bahn konnte man damals nicht kaufen. Und wenn, war es sehr teuer. Also blieb nur die Möglichkeit, alles selber herzustellen. Mir stand eine kleine Werkstatt zur Verfügung. Sämtliche Mechaniker-Werkzeuge waren vorhanden. Sogar eine Drehbank hatte ich, die ich für ein selbst gebautes Radio von einem Nachbarn bekam.
(Bild 13) – Der Rohbau der Großanlage in der Gesamtansicht
(Bild 14) – Selbstgepresste Schienen für gerade und gebogene Gleise.
Die Schienen sollten auf Holzunterlagen montiert werden. Die einzelnen Schienen wurden aus Blechstreifen mittels Nut- und Feder-Werkzeug im Schraubstock gepresst. Bei den gebogenen Schienen war es wichtig, dass der Fußstreifen auf der Außenseite breiter war. Nach über 60 Jahren konnte ich noch Reste der gepressten Blechschienen im Keller finden.
(Bild 15) – Drückwerkzeug für die Schienenprofile
(Bild 16) – Biegevorrichtung für gebogene Schienen
Die schwierigste Aufgabe sollten die Weichen sein. Ich hatte das Glück, dass mir mein Vater Abfallmaterial von der Firma SIEMENS mitbringen konnte. So versuchte ich die TRIX-Weiche nachzubauen. Die Mechanik funktionierte aber nicht. Dann versuchte ich es mit der Märklin-Weiche. Sie funktionierte auch nicht. Mir fehlte einfach die Präzision der Teile. Ich hatte ja noch keine Lehre begonnen. Eine einfache Konstruktion mit zwei Spulen und ein Eisenkern in der Mitte war dann erfolgreich. Leider ist davon nichts mehr erhalten geblieben.
Für die Großanlage wurden noch weitere TRIX EXPRESS-Fahrregler benötigt. Auch diese konnte ich damals nicht kaufen und musste mir überlegen, wie ich sie selber bauen konnte.
Vom Nachbau der Fahrregler und warum meine TRIX EXPRESS-Bahn nicht vollendet werden konnte, werde ich im zweiten Teil meiner Erinnerungen berichten.
Manfred Voß 2012/2013