Distler-Drehstrombahn im Garten 10.07.2010

Bericht und Bilder Dieter Weißbach


Bei einer kleinen Gartenfeier im Juli 2010 wurde wieder interessante alte Modellbahnen von den Gästen mitgebracht.


Diesmal war die Distler-Drehstrombahn in Spur 0 von Joachim Ehrentraut der besondere Höhepunkt. Es gibt nur wenige Informationen über diese Spur 0-Bahn; im Internet konnten wir keine Beiträge finden.

Die Nürnberger Firma Distler fertigte einfaches Blechspielzeug und musste bekanntlich mit Wirkung zum 01.01.1936 von ihren jüdischen Besitzern an Ernst Voelk übertragen werden, der auch 1938 das TRIX-Werk von den jüdischen Besitzern um Stephan Bing übernahm. Die Distler-Produktion wurde unter dem alten Namen Distler weitergeführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg stellte Distler einfache Blecheisenbahnen in den Spuren 00/H0 und 0 für den Kaufhausverkauf her. Eine herausragende Entwicklung war der leistungsfähige kleine Elektromotor (unter dem Namen Distler-Motor bekannt), der auch in den TRIX EXPRESS Batterie-Lokomotiven und in den TRIX TWIN-Cadet-Locos verwendet wurde. Im Jahr 1961 erfolgte die Einstellung der Distler-Produktion und die vollständige Eingliederung der Produktionsanlagen in die Fertigung der Trix-Produkte, weil die Distler-Produkte nicht mehr den Markterwartungen entsprachen. Im Jahr 1965 schließlich erlosch die Firma Distler.


Distler hatte offensichtlich mit der Drehstrombahn um 1955 herum versucht, auch in der Spur 0 ein neues Produkt zu entwickeln. Die Siemens-Schuckert-Werke stellten ein besonderes Anschlussgerät zur Verfügung. Die Stromversorgung erfolgte primärseitig aus dem Einphasen-Wechselstromnetz (220V wie im Bild oben oder 110V). Sekundärseitig wurde Drehstrom 3x 14V bereitgestellt. Tatsächlich wurde in diesem Anschlussgerät ein Kondensator eingebaut, der die dritte Phase mit einer Phasenverschiebung von 90 Grad versorgte (zumindest in den vorliegenden Trafos wurde keine Scott-Schaltung verwendet, wie von einem Leser vermutet wurde). Die beiden anderen Anschlussklemmen wurden direkt an der Sekundärwicklung abgegriffen. Zum Fahrtrichtungswechsel konnte die Phasen mit einen Papphebel umgekehrt werden. Ein kleiner Drehknopf regelte die Spannung einer Phase und damit die Fahrgeschwindigkeit der Lokomotive. In der Null-Stellung leuchtete die Stirnlampe weiter. Es sind auch schwarze Anschlussgeräte bekannt.


Distler baute für die Drehstrombahn ein Dreischienen-Blechgleis, bei dem die beiden äußeren Schienen isoliert auf den Schwellen montiert waren. Zum Vergleich: bei den bisherigen Spur 0-Bahnen von Bing und Märklin war nur die Mittelschiene isoliert, bei der Spur 0-Bahn von Zeuke waren sogar alle drei Schienen isoliert.



[Dank an Joachim Ehrentraut für die Bereitstellung des Bildes]
Die Stromabnahme erfolgt über die Räder von den Außenschienen und über zwei Rollenschleifer von der Mittelschiene.



Die lithographierten Blechwagen waren schlicht gehalten. Die Seitenwände der Personenwagen waren zunächst geprägt und die Fenster nicht durchbrochen. Später waren die Seitenwände nicht geprägt, dafür die Fenster durchbrochen. Die Personenwagen wurden in rot, blau und grün produziert, außerdem gab es einen grünen Packwagen.

Bei den vierachsigen Güterwagen gab es einen offenen Hochbordwagen, einen Shell-Tankwagen und einen gedeckten Güterwagen.


Die Lokomotiven waren einfach konstruiert und besaßen Blechgehäuse. Der Antrieb war in einem zweiachsigen Grundelement untergebracht. Es gab vier verschiedene Lokomotivtypen:

  • eine Tenderdampflokomotive mit zwei Treibachsen
  • eine Schlepptenderdampflokomotive mit zwei Treibachsen und Laufachsen (Achsfolge 1´B 1´, mit oder ohne Kuppelstangen)
  • eine kastenförmige Elektrolokomotive mit zwei Treibachsen (streng genommen das Mittelteil der E94 ohne Vorbauten)
  • als Spitzenprodukt die sechsachsige E94, der schlicht zwei je zweiachsige bewegliche Vorbauten vor das zweiachsige Grundelement gesetzt wurden



[Dank an Joachim Ehrentraut für die Bereitstellung des Bildes]
Der Antrieb erfolgte über einen schleiferlosen Drehstrom-Asynchron-Motor in Dreieckschaltung. Das Fehlen von wartungsintensiven Kohlebürsten oder Kollektorflächen war der besondere Vorteil dieses Motors.


Aufruf an die Leser:

Wer weitere Informationen zu dieser interessanten Distler-Drehstrombahn zur Verfügung stellen kann, ist herzlich eingeladen. Vielen Dank im Voraus.

Mailadresse: trixstadt@web.de


Zum Abend wurde zur Stärkung der Gäste der Grill angefeuert. Dieser Grill wurde 1987 in der Nähe von Zwickau in einem Haushaltsgerätegeschäft erworben. Er wurde im Raw – Reichsbahnausbesserungswerk 7. Oktober gebaut, das für die Ausbesserung von Dampflokomotiven und Güterwagen zuständig war. In diesen Jahren kurz vor der Wende hatten die Werkstätten der DDR den Auftrag erhalten, Konsumgüter zu bauen, um die Versorgungssituation im Handel zu verbessern. Das Reichsbahnausbesserungswerk hatte Erfahrungen und die notwendigen Einrichtungen für die Bearbeitung stärkerer Bleche und war somit hervorragend für diese Aufgabe prädestiniert. Schade, dass die Originalverpackung nicht mehr vorhanden ist, auf der das Raw 7. Oktober als Hersteller benannt war.



Mit englischem Fahrbetrieb auf der TRIX EXPRESS-Bahn klang dieser gemütliche Sommerabend aus.


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