Der TRIX EXPRESS-Katalog 1937 zeigt auf der Titelseite zum ersten Mal ein Photo der realen Eisenbahn. Das gleiche Photo wurde auch auf dem Buch: 1:90 – Handbuch des TRIX-Eisenbahnbetriebs verwendet, welches ebenfalls 1937 erstmalig herauskam.
Das Photo ist eine stimmungsvolle Nachtaufnahme der mächtigen Schnellzuglokomotive 01 020; am linken Bildrand ist ein dunkler Pfeiler und eine verzierte Bahnhofsuhr zu sehen: es ist 23:44 Uhr.
[ Bildquelle: Deutsche Fotothek Dresden – df_e_0000001 – Nutzungsgenehmigung vom 14.12.2009 ]
Das Originalphoto wurde 1935 von Fritz Eschen aufgenommen, der in diesen Jahren viele bekannte Eisenbahnaufnahmen geschaffen hat. Über Fritz Eschen wird noch zu berichten sein.
Das bekannte Bild von Fritz Eschen hat offenbar viele Nachahmer gefunden. Auf einem Sammelbild für das Album „Deutschland baut auf“ der Dresdener Cigaretten- und Tabakfabrik Monopol aus dem Jahr 1937 findet sich fast das gleiche Motiv. Die Uhr steht nun auf „Fünf vor Zwölf“; das Bild trägt den Titel „Abfahrt ins neue Jahr“.
Exkurs Die Einheitslokomotiven – verzögerte Beschaffung Die Dampflokomotive der Baureihe 01 gehört zu den Einheitslokomotiven, die ab 1925 von der Deutschen Reichsbahn unter dem Leiter der Reichsbahn-Versuchsanstalt Berlin Grunewald, Richard Paul Wagner, entwickelt wurden und die Länderbahnlokomotiven ersetzen sollten. Tatsächlich kam die Serienlieferung der schweren Einheitslokomotiven und damit die Modernisierung des Lokomotivbestandes nur sehr langsam in Gang. Im Gegenteil, aufgrund der zu geringen jährlichen Beschaffungszahlen veraltete der Lokbestand bis 1938 von Jahr zu Jahr zunehmend und die Wartungsaufwände stiegen. Die hohe reparationszahlungsbedingte Verschuldung der Reichsbahn, der Verkehrsrückgang nach der Weltwirschaftskrise 1929 und der nur langsam voranschreitende Ausbau der Hauptstrecken auf die notwendigen Achslasten von 20 to waren die Ursachen dafür. Im Jahr 1930, fünf Jahre nach dem Beginn des Programms waren erst 500 Einheitslokomotiven gebaut, bei einem Gesamtbestand von rd. 23.500 Lokomotiven. Im Jahr 1934 waren 1.000 Einheitslokomotiven gebaut, im Jahr 1938 waren es 1.500 Einheitslokomotiven. Die jährlichen Beschaffungsraten lagen im Mittel bei rd. 100 bis 150 Maschinen, viel zuwenig um den großen Lokomotivbestand angemessen zu modernisieren (selbst bei einer Beschaffungsrate von rd. 500 Maschinen pro Jahr hätte sich noch eine mittlere Einsatzdauer von rd. 46 Jahren ergeben, zu viel für einen modernen Eisenbahnbetrieb). Erst ab 1939 zogen die Beschaffungszahlen deutlich an: nun wurden die Güterzuglokomotiven der Baureihen 41, 44 und 50 sowie ab 1942 die Kriegslokomotiv-Baureihen 52 und 42 in rationalisierter Großserienfertigung gebaut, um die Kriegsvorbereitung und Kriegsführung zu unterstützen. Im Kriegsjahr 1943 wurde mit 4.535 Lokomotiven die größte Jahreslieferung erreicht. Von vielen Einheitslokomotivbaureihen wurden nur Einzelstücke und kleinere Vorserien gebaut. Von den 30 Baureihen und Unterbaureihen des Typenprogramms konnten 7 Baureihen eine Stückzahl von 6 Einheiten nicht überschreiten, blieben somit Splitterbaureihen. Von weiteren 7 Baureihen wurden nur zwischen 10 und 16 Einheiten gebaut. Größere Stückzahlen von mehr als 100 Einheiten wurden bis 1938 nur von den Baureihen 01, 03, 64 und 86 gebaut. Von der Kriegslokomotive der Baureihe 52 wurden über 6.000 Einheiten produziert (die genaue Stückzahl lässt sich heute nicht mehr feststellen, da die Produktion auf zahlreiche Fabriken in mehreren Ländern verteilt war und sogar noch nach Kriegsende Maschinen fertiggestellt wurden). Insgesamt wurden über 14.00 Einheits- und Kriegslokomotiven gebaut, davon über 12.300 große Güterzuglokomotiven der Baureihen 41 bis 52 (mit allen Unterbaureihen). Dennoch bestimmten die eindrucksvollen Einheitslokomotiven der Baureihen 01 und 03 in den 1930er Jahren zunehmend das Bild auf den Fernzugstrecken und in den Fernbahnhöfen der Reichsbahn. Von der Baureihe 01 wurde bis 1938 insgesamt 231 Stück gebaut, weitere 10 Stück wurden aus Vierzylinder-Maschinen der Baureihe 02 umgebaut. Außerdem wurden 298 Maschinen von der ähnlich aussehenden Baureihe 03 gebaut, die u.a. einen kleineren Kessel hatte und für die zahlreichen Strecken mit einer Achslast von 18 t geeignet war. |
Die Dampflok 01 020 gehörte zur von Borsig gelieferten zweiten Bauserie 1927 der Baureihe 01. Von der ersten Bauserie mit dem Betriebsnummern 001 bis 010 wurden zunächst jeweils drei Maschinen in Essen, Nürnberg und Erfurt stationiert, eine Maschine erhielt das Lokomotivversuchsamt Berlin Grunewald. Die Maschinen der zweiten Bauserie mit den Betriebsnummern 012 bis 019 wurden ab Februar 1928 dem Berliner Bahnbetriebswerk Bw Anhalter Bahnhof zugeteilt, die Betriebsnummern 020 und 021 gingen zunächst zum Bw Lehrter Bahnhof. Mit den zunächst acht Maschinen erhielt das Bw Anhalter Bahnhof die erste größere Serie der neuen Einheitslokomotiven der BR 01. Dies war nötig, um den schweren Schnellzugverkehr von Berlin über Halle/Leipzig in Richtung Süden (Nürnberg, Erfurt, Frankfurt) angemessen zu bedienen. Möglich war der Einsatz erst mit dem Ausbau dieser Strecken auf die Achslast von 20 t und der Verstärkung der Brücken, insbesondere der Elbbrücke bei Wittenberg. So mussten bereits Anfang der 1920er Jahre viele fabrikneue Lokomotiven der BR 39, die ebenfalls eine hohe Achslast von über 19 t aufwies, bis Ende 1924 abgestellt werden, bevor sie sinnvoll eingesetzt werden konnten.
Anfang 1929 kam 01 020 zum Bw Anhalter Bahnhof und blieb hier bis Februar 1945. Die Lok wurde dann kurz vor Kriegsende nach Westdeutschland gebracht. Sie war anschließend u.a. in den Bw Gießen, Wiesbaden, Offenburg, Würzburg, Nürnberg und Dillenburg stationiert. Im September 1966 wurde sie nach 38 Betriebsjahren ausgemustert.
Im Bw Berlin Anhalter Bahnhof waren in den 1930er Jahren meist 18 Lokomotiven der BR 01 für den schweren Schnellzugverkehr stationiert. Ergänzend standen hier 13 Maschinen der BR 39 für schwere Personen- und Eilzüge zur Verfügung.
Das nächtliche Photo der 01 020, dass TRIX für den 1937er Katalog und das TRIX-Handbuch auswählte, wurde von Fritz Eschen im Jahr 1935 vor der großen Fernbahnhofhalle des Anhalter Bahnhofs in Berlin aufgenommen. Der Anhalter Bahnhof war der bedeutendste Fernbahnhof Berlins in diesen Jahren. Der Bildautor wird aber weder im Katalog noch im Handbuch genannt.
[ Bildquelle: Deutsche Fotothek Dresden – df_e_0001968 – Nutzungsgenehmigung vom 14.12.2009 ]
Ein weiteres Photo von Fritz Eschen aus dem Jahr 1935 zeigt die Einheitsschnellzuglokomotive 03 155 auf dem gleichen Gleis 1 des Anhalter Bahnhofs – diesmal in der Mittagsstunde vor dem D20 nach Leipzig. Auch die bereits bekannte Uhr ist wieder zu sehen, es ist nun 12:33 Uhr. Die 03 155 war im Bw Leipzig Hbf.-West stationiert und kam in den 1930er Jahren regelmäßig zum Anhalter Bahnhof nach Berlin.
Der aus einem jüdischen Elternhaus stammende Photograph Fritz Eschen wurde bereits Ende 1933 aus dem Reichsverband der Deutschen Presse ausgeschlossen; dies kam einem Berufsverbot gleich. Dennoch arbeitete er weiter, besonders für die Deutsche Reichsbahn. Er wurde von der Gestapo verhaftet und zur Zwangsarbeit verpflichtet, überlebte aber mit Glück die Zeit des Nationalsozialismus.
Im Jahr 1937 erschien die neue TRIX EXPRESS-Modellserie mit der großen Schnellzug-Pazifik-Lok 20/57 (mit der realen Achsfolge 2´ C 1´) und den passenden langen Schnellzugwagen. TRIX war erneut beispielgebend für die anderen Marken. Nur zwei Jahre nach dem Start des TRIX EXPRESS-Programms mit der verkürzten zweiachsigen Dampflokomotive stand nun eine maßstäblich nachgebildete sechsachsige Schnellzugdampflokomotive zur Verfügung. Damit hatte TRIX EXPRESS endgültig den Wandel von der Spielzeugbahn zur echten Modelleisenbahn vorangetrieben.
[ Bildquelle: Bildarchiv der Eisenbahnstiftung – 5972 – Nutzungsgenehmigung vom 14.12.2010 ]
Vergleichsaufnahme der 03 068 (Bw Osnabrück), die lt. Pufferaufschrift den D 95 aus Hamburg nach Köln brachte und der am 23. Juli 1932 frisch hauptuntersuchten 01 032 vom Bw Hamm im Bw Köln Bbf. (22.08.1932) Foto: DLA Darmstadt
Häufig wird diskutiert, ob die TRIX 20/57 der BR 01 oder der BR 03 nachgebildet wurde. Vergleicht man die Kessel der BR 01 und BR 03 mit dem TRIX-Modell, kann diese Frage recht eindeutig beantwortet werden. Der Kesseldurchmesser der BR 01 beträgt beim Vorbild 1.900 mm, bei der BR 03 beträgt er 1.700 mm. Umgerechnet auf den Maßstab 1:90 entspricht dies 21 bzw. 19 mm. Der Kessel der TRIX EXPRESS-Lok hat konstruktionsbedingt sogar einen Durchmesser von 24 mm.
[ Bildquelle: Bildarchiv der Eisenbahnstiftung – 743 – Nutzungsgenehmigung vom 14.12.2010 ]
03 003 im Bw Osnabrück. (08.08.1930) Foto: Werner Hubert
Bei der BR 01 liegen die drei Dome (Speise-, Sand- und Dampfdom) relativ eng zusammen (wie bem TRIX EXPRESS-Modell der 20/57), bei der BR 03 liegen sie deutlich weiter auseinander (siehe Vorbildphoto).
Somit kann klar festgestellt werden, dass die TRIX EXPRESS 20/57 die BR 01 und nicht die BR 03 als Vorbild hat.
Das stimmungsvolle Photo von Fritz Eschen der mächtigen Schnellzulok vor dem Anhalter Bahnhof, dem seinerzeit bedeutendsten Fernbahnhof Berlins, war ein passendes Bild, das TRIX zur Markteinführung der neuen Modellserie auswählte.
Damit schließt sich der Kreis: das Jubiläum 75 Jahre TRIX EXPRESS konnte dank der freundlichen Unterstützung des Deutschen Technikmuseums in Berlin im März 2010 im ehemaligen Lokschuppen des Bahnbetriebswerk Berlin Anhalter Bahnhof gefeiert werden.
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