TRIX EXPRESS in der Schweiz – Spannende Entdeckungen Teil 12: Entstehung des TRIX 20/60-Krokodils E94 007 mit Automatik-Kupplung

Bericht und Bilder: Peter Anderegg – 2019


Vorlage von Heinrich Rehse aus Leipzig: Bausatz zur E 94 in Massstab 00 oder 1:87

Heinrich Rehse aus Leipzig produzierte ab 1949 Messingbausätze in Spur 00 (1:87) für die Loks E 94, E 18 und E 44.


Bild 1: Bausatz Heinrich Rehse, Leipzig, E 44, von 1949


Es lässt sich leicht erahnen, dass es anfangs 1950-er Jahre extrem schwierig sein musste, aus diesen Teilen ein befriedigendes Modell in Spur 00 zu bauen. Schöne Modelle der E 94, E 18 und E 44 sind deshalb nur selten zu finden und sehr wertvoll. Hier eine wunderschöne E 94 von Rehse:


Bild 2: E 94 aus Bausatz von Heinrich Rehse montiert in Messing unbehandelt, aus Baukasten von 1949


Märklin-Krokodil als Vorbild

Märklin produzierte bereits seit 1947 sein Schweizer Krokodil CCS 800 und feierte mit diesem Spitzen-Modell einen grossen Verkaufserfolg. Dies war vermutlich ausschlaggebend für den Entscheid von TRIX, das Deutsche Krokodil E 94 aufzulegen. Das Vorbild der E 94 wurde in den Kriegsjahren 1940-45 für Deutschland und Österreich gebaut. Die E 94 galt im Jahre 1950 noch durchaus als modern (1954-56 beschafften die DB 43 Stück der E 94 nach).


TRIX Super-Modell-Güterwagen von 1950

Im März 1950 stellte TRIX an der 1. Deutschen Spielwarenmesse in Nürnberg seine 4-achsigen Super-Modell-Güterwagen vor: einen langen Schienentransportwagen der Gattung «Köln», einen langen gedeckten Güterwagen «Bromberg» und 4-achsige Einheits-Leicht-Kesselwagen «ELK» in den Ausführungen BP, SHELL, ESSO, BV ARAL und GASOLIN.


Zu dieser Serie passte perfekt die Elektro-Lokomotive E 94 als Spitzenprodukt mit «Super-Automatik»-, konkret mit fernsteuerbaren Kupplungen an beiden Enden. Bereits an Weihnachten 1950 kündete in der Schweiz Franz Carl Weber diese Lok an (Vorserie). Ab 1951 wurde die Trix 20/60 auch in Deutschland angeboten. Die Pantographen für die Oberleitung waren funktionsfähig: Ab sofort war auf einem Gleis ein Dreizugbetrieb möglich. TRIX hatte wieder einmal technologisch die Nase vorn.


Handmuster E 94 007 von 1950

Von den Drehgestell-Blenden ist eine detailliert ausgeführt und drei sind nur angedeutet. Die Räder des Drehgestells links sind aus Messing, die Räder des Drehgestells rechts sind gegossen. Die beiden Vorbauten sind unterschiedlich gestaltet (links bereits eine Annäherung an die Vorserie). Das Führerstands-Fenster ist nur links vollständig ausgefräst. Die Lok hat noch keine Stromabnehmer, aber für deren Befestigung gelochte Befestigungspunkte.


Bild 3: Handmuster der TRIX EXPRESS E 94 007 von 1950


Speziell: Antrieb mittels Stahl-Federn anstelle von Kardanwellen

Die Antriebe zwischen Gehäuse und Vorbauten bestanden aus Stahl-Federn anstelle von Kardanwellen. Diese Antriebsform lässt sich in einer Grossserie kaum einbauen, ist auch wenig stabil:


Bild 4: Antriebswelle mit Schlitz für Stahl-Federantrieb


Speziell: Verwendung der Fallhaken-Kupplung analog der 20/56-Automatik-Tenderdampflok

Eine Spezialität der Vorserien-Loks (Handmuster Messing, Vorserie für Franz Carl Weber Schweiz) ist die von der 20/56-Automatik-Tenderdampflok übernommene und weiterentwickelte Fallhaken-Kupplung:


Bild 5: Fallhakenkupplung Vorserie und Serie Franz Carl Weber Schweiz


Funktionsweise der Fallhaken-Kupplung

Entkuppelt wird, indem der Kupplungs-Haken abgesenkt wird:


Bild 6: Zustand gekuppelt


Bild 7: Zustand entkuppelt


Das Entkuppeln mittels Fallhaken-Kupplung funktioniert. Aber sobald der Bügel der Wagenkupplung Druck auf den Fallhaken der Lok ausübt (minimalste Steigungen oder Kurven), ist es aus mit der Herrlichkeit: Das Entkuppeln nur mittels Schwerkraft versagt. So sah sich TRIX gezwungen, bereits bei den letzten Vorserien-Loks für Franz Carl Weber Schweiz eine andere Lösung einzuführen, nämlich die Rollhaken-Kupplung.


Funktionsweise der Rollhaken-Kupplung

Kurz nach Auslieferungsbeginn der Vorserien-Loks entwickelte TRIX eine neue automatische Rollhaken-Kupplung. Der Kupplungskopf ist nun drehbar ausgeführt und wird mittels eines Halteblechs mit Federzug in der gekuppelten Stellung festgehalten. Beim Entkuppeln wird das Halteblech (*) nach hinten gezogen und der Kupplungskopf ist nun frei beweglich. Wegen dem Druck des Bügels der Wagenkupplung kann der gelöste Lok-Haken abrollen und den Wagen freigeben.




Bild 8+9: Kupplungskopf durch Halteblech (*) festgehalten


Bild 10: Kupplungskopf rollt frei


Bild 11 – 13: Zustand gekuppelt – Rollhaken ist gelöst, dreht nach links – Rollhaken dreht weiter bis Ausklinken


Bild 14: Rollhaken fällt nach dem Entkuppeln zurück in die Ausgangsposition


Optischer Unterschied der Loks mit Fallhaken-Kupplung und Rollhaken-Kupplung


Bild 15: Links E 94 FCW mit Fallhaken-Kupplung, rechts E 94 Serie mit Rollhaken-Kupplung (höhergesetzte Lampen)


Vorbauten: Bei Vorserie E 94 007 in kleinen Buchstaben, bei Serie E9 4 007 in grossen Buchstaben

Die 20/60 ist das erste H0-Modell mit dem Vorbild entsprechenden Nummern. Die Vorbauten der Vorserie für Franz Carl Weber Schweiz haben die Lok-Nummer in kleinen Buchstaben.


Bild 16: Links E 94 007 klein Vorserie Franz Carl Weber Schweiz und rechts E9 4 007 gross aus Serie. Fallhaken-Kupplung links, Rollhaken-Kupplung rechts.


Bild 17: Die beiden Front-Klappen sind links (E 94 007 klein Vorserie Franz Carl Weber Schweiz) höher als rechts (E9 4 007 gross aus Serie), auch unterscheiden sich die Lampenhöhen.


Exkurs: Bei den letzten Vorserien-Stücken für Franz Carl Weber Schweiz wurden bereits die neuen Rollhaken-Kupplungen eingebaut. Diese Loks haben auf der Seite H (hinten) Hebekupplung Vorbauten mit kleinem E 94 007, auf der Seite V (vorne) Rollhaken bereits Vorbauten mit grossem E9 4 007.


Versuchsträger E 94 007 von 1950 aus dem Fundus von Franz Carl Weber Schweiz

Eine Besonderheit bietet der Versuchsträger von Franz Carl Weber Schweiz: Das Lokgehäuse ist aus Messing-Blech in einem grösseren Breiten-Massstab (Gehäuse etwa 2-2.5 mm breiter). Die übrigen Teile, also die Vorbauten sowie die technische Auslegung entspricht bereits den Modellen aus der Vorserie für Franz Carl Weber Schweiz. Interessant ist auch die Verwendung des Vorserien-Pantografen von Sommerfeld. Ich vermute, dass es sich um einen Versuchsträger für die Verkabelung handelt. Die Kabel waren noch nicht optimal verlegt und getrimmt. So konnte man dank dem vergrösserten Gehäuse Fahrversuche mit verschiedenen Verkabelungs-Varianten durchführen und die anspruchsvolle «Automatik» testen.


Aber wieso gelangte diese Lok zu Franz Carl Weber Schweiz? Franz Carl Weber (FCW) war der grösste Modellbahn-Anbieter in der kaufkräftigen Schweiz. TRIX lieferte immer die ersten Serien der 20/60, 761 und 762 exklusiv an FCW. Aber TRIX gelang es nie, versprochene Fristen (Weihnachtsgeschäft, Einhaltung von Ankündigungen in Inseraten) einzuhalten – wie wir in späteren Folgen der «Entdeckungen» immer wieder feststellen werden -. So sandte man vermutlich dieses Testmodell in die Schweiz, nachdem bei FCW niemand mehr an die Realisierung des TRIX-Modells der E 94 glaubte. Vermutlich, um zu belegen, dass das spannende 20/60-Modell bald greifbar wird. Das geöffnete Chassis dieser Lok ist abgebildet im gelben Buch «Die anderen Nürnberger Band 6: TRIX/ISBN 3 86549 1309 “.


Bild 18: Versuchsträger E 94 aus dem Fundus von Franz Carl Weber Schweiz mit Lokgehäuse aus Messing-Blech von 1950. Interessant: Der Pantograf links ist vernickelt, der Pantograf rechts nicht.


Vorserienlok E 94 007 von 1950/51 für Franz Carl Weber Schweiz

Bild 19: Katalogbild aus dem Weihnachtskatalog 1950 von Franz Carl Weber Schweiz


Die ersten Vorserienloks für FCW Schweiz hatten noch Sommerfeldt-Versuchs-Pantografen, siehe Bild 18. Diese Pantografen waren nicht geschraubt: Der Draht, welcher die seitlichen Isolatoren festhält, wurde durch seitliche Löcher im Dach geführt und umgebogen (vgl. spätere Fleischmann-Loks).


TRIX griff auf die Versuchs-Pantografen von Sommerfeldt zurück, da der TRIX 2-Schrauben-Pantograph (vermutlich auch von Sommerfeldt zugeliefert), noch nicht fertig war. Bei den Vorserienloks FCW Schweiz sind beide Pantographen (Sommerfeld-Versuchs-Panto sowie der sog. TRIX 2-Schraubenpanto) nachgewiesen.


Bild 20: Vorserienlok E 94 007 Franz Carl Weber Schweiz, Version mit TRIX 2-Schrauben-Pantografen von 1950/51


Serienlok E9 4 007 von 1951

Ab 1951 wird das Serienmodell des TRIX 20/60-Krokodils E9 4 007 ausgeliefert. Die Rollhakenkupplung und die TRIX 2-Schraubenpantografen sind nun Standard:


Bild 21: Serienlok E9 4 007 von 1951


Serienlok E9 4 007 von 1951 mit Heller-NMRA-Rädern in Wechselstrom (AC) und mit Automatik-Kupplung


Im Sommer 1951 besucht Herr Gordon Varney, einer der grössten Modellbahn-Hersteller der USA, den MIBA-Verlag Nürnberg und dessen Nachbar, die TRIX-Werke. TRIX legt die 20/60 nun auch auf nach der neugeschaffenen amerikanischen H0-Norm NMRA (2 Leiter-System, Höhe Spurkranz nur etwa 0,6 mm). Die Mechanik der 20/60 NMRA ist aber noch unverändert die Wechselstrom-(AC)-Ausführung mit Automatik-Kupplung.


Die für das Express-System entwickelte schwere Lok war aber für Gleise nach NMRA-Norm ungeeignet, da vermutlich zu schwer und nicht genügend entgleisungssicher.


Bild 22: Serienlok E9 4 007 NMRA in Wechselstrom (AC)-Ausführung von 1951


Vergleich Serienlok E9 4 007 von 1951 in TRIX EXPRESS und in 2-Leiter-AC mit Heller-NMRA-Rädern


Bild 23 Vergleich zwischen Serienlok E9 4 007 TRIX EXPRESS rechts und E9 4 007 NMRA links


Die TRIX EXPRESS-Räder haben je 9 Speichen pro Rad, die Heller-NMRA-Räder je 13 Speichen pro Rad:


Bild 24: Serienlok E9 4 007 TRIX EXPRESS hinten, Serienlok E9 4 007 NMRA vorne.


Exkurs: Ab 1953 legte TRIX unter der Nummer 760 die E9 4 007 in Gleichstrom (DC) auf. Es wurde auf die automatische Kupplung verzichtet. Im Jahr 1955 erschien die E 94 unter der amerikanischen Marke «Aristocraft» mit den NMRA-Heller-Rädern von 1951: Ab Weihnachten 1955 wurde die E 94 als «Aristocraft-Alligator»-Lok in den USA in Gleichstrom (DC) angeboten. Ergänzt wurde die Lok mit den TTR-Kippwagen aus 1954 in NMRA-Ausführung.


Dachaufbau mit Isolatoren hellbraun eingefärbt


Bild 25: Alle Isolatoren (inklusive Grosser Isolator) und sind hellbraun eingefärbt.


Die Isolatoren sind aus Messing, welches durchschimmert: bei Kunstlicht scheinen die Isolatoren rot und heben sich farblich von den Dachleitungen nicht ab. Die hellbraune Dachfärbung findet man auf dem Versuchsträger E 94 007 von 1950 von Franz Carl Weber Schweiz (FCW), auf den Vorserienloks E 94 007 von 1950/51 für FCW und auf den frühen Serienloks E9 4 007 von 1951.


Dachaufbau mit Isolatoren von Hand dunkelbraun eingefärbt


Bild 26: Alle Isolatoren (im oberen Bereich) und der Grosse Isolator sind von Hand dunkelbraun eingefärbt.


Nun heben sich die Isolatoren auch bei Kunstlicht farblich ab von den roten Dachleitungen. Diese vorbildlichere Dachfärbung findet man bei den Serienloks E9 4 007 (vermutlich 2. Serie ab Mitte 1951) und Serienlok 20/60-Automatik E9 4 007 mit Heller-NMRA-Rädern von 1951 in Wechselstrom.


Edle TRIX-Lok in edler roter Holzkiste (Holz-Box)

War schon das TRIX 20/60 Krokodil E 94 007 eine edle Lok, so war es auch deren Verpackung.


Rote Holz-Box 1. Version

Die rote Holz-Box 1. Version ist zweimal mit TRIX EPRESS beschriftet: Oben auf dem Deckel und unter dem Deckel im dunkelgrauen Innenfutter.


Rote Holz-Box 1. Version a

Die Kanten des Deckels sind nur abgerundet, also nicht abgeschrägt. Der Leinenbändel zum Herausheben der Lok besteht aus hochwertig gemustertem Gewebe.


Bild 27 Holz-Box 1. Version a mit Deckelbeschriftung TRIX EXPRESS und mit abgerundeten Kanten


Bild 28 Innenseite Holz-Box 1. Version a mit Deckelbeschriftung TRIX EXPRESS


Bild 29 Leinenbändel aus Holz-Box 1. Version a zum Herausheben der Lok aus hochwertig gemustertem Gewebe


Rote Holz-Box 1. Version b

Die Kanten des Deckels sind abgeschrägt. Der Leinenbändel zum Herausheben der Lok ist aus konventionellem Gewebe in Dunkelblau.


Bild 30 Holz-Box 1. Version b mit Deckelbeschriftung TRIX EXPRESS und mit abgeschrägten Kanten


Bild 31 Innenseite Holz-Box 1. Version b mit Deckelbeschriftung TRIX EXPRESS


Bild 32 Leinenbändel aus Holz-Box 1. Version b zum Herausheben der Lok aus konventionellem Gewebe


Rote Holz-Box 2. Version

Die rote Holz-Box 2. Version ist nur innen mit TRIX EPRESS beschriftet, nämlich unter dem Deckel im dunkelgrauen Innenfutter. Der rote Deckel bleibt ohne Beschriftung. Die Kanten des Deckels sind abgeschrägt, das Leinenband zum Herausheben der Lok ist aus konventionellem Gewebe.


Bild 33 Holz-Box 2. Version ohne Deckelbeschriftung und mit abgeschrägten Kanten


Bild 34 Leinenbändel aus Holz-Box 2. Version zum Herausheben der Lok aus konventionellem Gewebe


Rote Holz-Box 2. Version mit rotem Überzugpapier in verschiedenen Maserungen


Bild 35 Edel bleibt edel: Bei der roten Holz-Box kamen sogar verschiedene Maserungen der Oberfläche (rechts Kroko) zur Anwendung.



Peter Anderegg




zurück zur Auswahl: Peter Andereggs Entdeckungen und Geschichten